Lichtpflicht – revisited oder: Das leuchtende Rad im Zeichen der Bundesratsrevolte

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Die Regeln der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) in Bezug auf die Beleuchtung am Fahrrad (§ 67 StVZO) wurden inzwischen modernisiert. Eine aktuelle Auflistung der Regeln findet ihr z.B. beim Pressedienst Fahrrad.

Vor fast zwei Jahren schrieb ich diese – immer noch uneingeschränkt geltende – Einleitung:

Licht am Fahrrad? Wie antiquiert. Zumindest in manchen Bezirken dieser Stadt ist man als leuchtender / beleuchteter Radfahrer ein Exot. Wenn man dann die Straße oder den Radweg in der vorgeschriebenen Fahrtrichtung nutzt und an einer roten Ampel unvorhersehbar bremst, outet man sich schnell als Zugereister. Wobei es kaum einen Unterschied macht, ob man aus Stuttgart, Zehlendorf oder Weißensee kommt.

Karbidlampe © Günter Havlena / pixelio.de

Nehmen wir einfach mal an, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ein Interesse daran haben, sich gesetzeskonform mit ihrem Fahrrad in der Stadt zu bewegen. Nur so zum Spaß, ja? Dann hätten wir nämlich eine Grundlage für den folgenden Text. Alle Angaben gelten ausschließlich für den Geltungsbereich der StVO (d.h. öffentliche Straßen in Deutschland).

In der Zwischenzeit ist viel geschehen. Und damit meine ich nicht den Ausgang der Wahl am vergangenen Sonntag. Nein, ich meine damit, dass der Bundesrat den Aufstand geprobt hat. Einen Aufstand gegen ein zögerlich agierendes Bundesverkehrsministerium, das eine Änderung der antiquierten Beleuchtungsvorschriften nicht schnell genug auf den gesetzgeberischen Weg bringen wollte oder konnte.

Das Ergebnis – eine Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO), die erstmals erlaubt, mit „normalen“ Rädern ohne Dynamo am Straßenverkehr teilzunehmen – geriet (für eine Revolte nicht untypisch) zu einem unausgegorenen und viel kritisierten Schnellschuss. Dennoch: die neuen Regeln gelten und werden den Markt gehörig in Bewegung bringen. Weiterlesen

StVO 2013: was ändert sich?

BikeBlogBerlin ist ja an sich nicht dafür bekannt, seine Themen aus der Zeitung mit den großen Buchstaben zu beziehen. Hier und heute muss es aber einmal sein:

Überschrift BILD.de-Artikel vom 27.03.2013

Achtung Radler, es wird teurer!

Denn am 1. April tritt die Neuverfassung der Straßenverkehrsordnung in Kraft, die Bußgelder bei Regelbruch erhöht. Außerdem gibt es viele Neuregelungen für Fahrradfahrer im Straßenverkehr.

BILD.de erklärt, was sich ändert

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Die Erklärung von BILD.de schenken wir uns an dieser Stelle.

Dass die Darstellung des ADFC zum Thema sachlicher ausfällt, verwundert sicher nicht:

Eine Neufassung der Straßenverkehrsordnung (StVO) bringt zum 1. April 2013 Verbesserungen für Radfahrer. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) begrüßt die Gesetzesänderungen als einen Schritt in die richtige Richtung: „Wenn Städte und Gemeinden die neue StVO konsequent umsetzen, stärken sie den Radverkehr und machen ihn sicherer“, sagt der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg.

Eine wesentliche Neuerung ist, dass nicht mehr bevorzugt Radwege angelegt werden. Der bereits 1997 eingeführte Radfahrstreifen auf der Fahrbahn ist zukünftig dem Radweg gleichgestellt. Außerdem wird die Anlage von Fahrradstraßen und von Schutzstreifen für den Radverkehr auf der Fahrbahn erleichtert. Autofahrer werden sich daher darauf einstellen müssen, dass in Zukunft mehr Radfahrer auf der Fahrbahn unterwegs sind.
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Was ist seit heute anders?

Zuerst einmal eine Klarstellung. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) enthält keine Bußgeldvorschriften. Diese finden sich in der „Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog-Verordnung – BKatV)“, die gemeinsam mit der geänderten StVO am 01.04.2013 in Kraft tritt.

Eine Aufzählung der geänderten Bußgelder für Radfahrer und Autofahrer ist hier nicht erforderlich. Wer sich korrekt verhält, muss keine Bußgelder befürchten. Wer sich mehr oder weniger bewusst über die Regeln der StVO hinwegsetzt wird dies auch dann tun, wenn ein mögliches Bußgeld 5 € teurer wird. Dass Radfahrer in Bezug auf Regelverstöße nur selten kontrolliert und noch seltener zur Kasse gebeten werden zeigt auch die tatsächliche Relevanz dieser Neuregelung.

Leider werden selbst in eher seriösen Medien die Schlagzeilen zur geänderten StVO durch Begriffe wie „Rüpelradler“ oder „Radrambos“ bestimmt. Dass die neue StVO Radfahrer stärker als Verkehrsteilnehmer mit schützenswerten Rechten begreift, geht in diesem Kanon leider unter.

Welche für Radfahrer relevanten Vorschriften sind betroffen?

Hier verweise ich gern auf die Übersicht des ADFC, die ich auszugweise zitiere.

Linke Radwege (§ 2 Abs. 4 Radwege]

Linke Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch das Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ allein angezeigt ist. [via www.gesetze-im-internet.de]

Der ADFC hierzu:

Die neue Verwendung des Zusatzzeichens „Radverkehr frei“ macht die Freigabe von Radwegen in Gegenrichtung möglich, ohne dass damit – wie bei der Freigabe durch ein blaues Radwegschild – eine Benutzungspflicht verbunden ist. [via]

 

Abbiegen (§ 9 Abs. 2)

Radfahrer, die auf der Fahrbahn abbiegen, müssen nicht mehr an der rechten Seite der in gleicher Richtung abbiegenden Fahrzeuge bleiben, sondern können sich vor oder hinter ihnen einordnen. Das verringert die Gefahr, dass Radfahrer von abbiegenden Fahrzeugführern übersehen werden. [via ADFC]

 

Nach außen selbstbewusst, aber innerlich defensiv fahren © ADFC/Jens Schütte

 

$ 37 Abs. 2 Nr. 6 Ampeln („Lichtzeichenanlagen“)

Radfahrer haben die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend haben Radfahrer auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für Radfahrer zu beachten. [via www.gesetze-im-internet.de]

Der Grundsatz ist klar: Das Fahrrad ist ein Fahrzeug. Für den Radfahrer gelten also die „Lichtzeichen für den Fahrverkehr“. Allerdings ist im Gesetzestext noch eine Übergangsregelung bis 2016 vorgesehen. Hierzu verweise ich auf die Zusammenstellung des ADFC, da dieser Teil der StVO leider nicht ganz so eindeutig ist, wie er auf den ersten Blick erscheint.

Anlage 2 (zu § 41) Vorschriftzeichen

Zeichen 220.9 / 9.1 Einbahnstraße (freigegeben für Radfahrer in Gegenrichtung)

Hier gilt auch dann „rechts vor links“, wenn der Radfahrer in Gegenrichtung aus der Einbahnstraße ausfährt. Ausnahme: wenn die andere Straße eine Vorfahrtstraße ist, wird dies durch das Schild „Vorfahrt beachten“ angezeigt.

Achtung: Ich gehe davon aus, dass sich diese Regelung nicht so schnell bei anderen Verkehrsteilnehmern herumsprechen wird. Das Beharren auf dieses Vorfahrtrecht kann somit zu gefährlichen Situationen für den Radfahrer führen!

Zeichen 244.1 Fahrradstraße

Alle Fahrzeugführer dürfen nicht schneller als mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h fahren. [via www.gesetze-im-internet.de]

Dies gilt auch für Radfahrer! Bisher galt „mäßige Geschwindigkeit“, die von der Rechtsprechung mit ca. 25 km/h angenommen wurde. Dass Radfahrer keine geeichten Tachos besitzen müssen war und ist natürlich auch Richtern klar. Lediglich bei einer sehr deutlichen Überschreitung der 30 km/h sollte ein Bußgeldbescheid auch vor einem Gericht Bestand haben.

Zeichen 295 (Fahrstreifenbegrenzung und Fahrbahnbegrenzung): Radspurmarkierung durch eine durchgezogene Linie

Grenzt sie einen Sonderweg ab, darf sie nur überfahren werden, wenn dahinter anders nicht erreichbare Parkstände angelegt sind und die Benutzer von Sonderwegen weder gefährdet noch behindert werden. [via www.gesetze-im-internet.de]

Diese Regelung betrifft den Radverkehr nur mittelbar. Bisher durfte die durchgezogene Linie nicht überfahren werden, um dahinter, z.B. in Parkbuchten, zu parken. Dadurch wurde an vielen Stellen lediglich der „Schutzstreifen“ mit gestrichelten Linien angelegt. Jetzt können Behörden auch dort Radspuren anlegen, wo Parkbuchten angelegt wurden.

Weitere Regelungen für den Radverkehr

Weiterhin regelt die neue StVO u.a. die Mitnahme von Kindern in Fahrradanhängern sowie das Miteinander auf für Radfahrer freigegebenen Gehwegen und auf gemeinsamen Geh- und Radwegen. Grundsätzlich sollte man davon ausgehen, dass immer dann, wenn man sich einen Weg mit Fußgängern teilt, die Geschwindigkeit dem Fußverkehr angepasst werden sollte. Auch dann, wenn dies nicht explizit im Gesetz steht. Der Paragraf 1 der StVO („ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“!) greift im Zweifelsfall immer.

Neue Regeln auf einen Blick

Alle neuen Regeln listet der ADFC in der PDF-Datei Neue Regeln der Straßenverkehrsordnung 2013 auf. Eine Gegenüberstellung der alten und neuen Regeln findet man in dieser PDF-Datei: Gegenüberstellung alte und neue StVO 2013.

Anmerkung

Ausgerechnet unter dem CSU-Minister Ramsauer wurden erstmals Forderungen nach geschlechtsneutraler Ausarbeitung von Gesetzen berücksichtigt. Dies veranlasste unter anderem Spiegel online zu einer Kolumne mit der Überschrift „Dummdeutsch im Straßenverkehr„. Ob die Umsetzung gelungen ist, davon kann sich jede/r selber ein Urteil bilden. Die Relevanz und Durchetzungskraft der Verordnung wird dadurch weder erhöht noch vermindert werden.

Peinlich, dass zum selben Thema auch in dem von mir ansonsten gern gehörten Radiosender radioeins ein Kommentar von Ulrike Bieritz gesendet wurde, der in seiner Oberflächlichkeit in Hinblick auf die tatsächlichen Änderungen der StVO und in seiner Wortwahl („Rad-Rambos und Fahrradchaoten“) mit dem eingangs zitierten Artikel der BILD-Zeitung vortrefflich konkurriert.

ADFC gegen geplantes Tempolimit von 15 km/h für Radfahrer

Diese Überschrift lässt aufhorchen. Sollen Radfahrer nur noch mit 15 km/h fahren dürfen? Ganz so schlimm ist es nicht.

Hintergrund:
Eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist gerade als Entwurf vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung an verkehrspolitisch relevante Organisationen zur Kommentierung gesendet worden. Die Änderung wird meines Wissens die gescheiterte StVO-Novelle von 2009 aufgreifen und einige Neuerungen aufnehmen, die bisher nicht in der Diskussion waren.

Eine geplante Neuerung ist eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h auf Gehwegen, die mit dem Zusatzschild „Radfahrer frei“ für Radfahrer freigegeben wurden. Da auf diesen Gehwegen generell so gefahren werden muss, dass Fußgänger weder gefährdet noch behindert werden ist das Geschwindigkeitslimit nur eine Klarstellung der bereits geltenden Regelung. Im Zweifel muss hier der Fahrradfahrer mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sogar absteigen. Hierzu gibt es aus meiner Sicht keinen Bedarf einer weiteren Kommentierung. Gehwege gehören den Fußgängern.

Nun wurde aber auch eine Regelung in den Entwurf aufgenommen, die gemeinsame Geh- und Radwege betrifft (Zeichen 241). Das sind die Wege, auf denen der Radweg durch rote Farbe, abweichende Pflasterung oder sonstige Markierungen deutlich sichtbar vom Gehweg abgetrennt ist. Da diese Wege durch das Zeichen 241 benutzungspflichtig sind bedeutet eine Beschränkung auf 15 km/h  eine drastische Reduzierung der möglichen Geschwindigkeit für einen großen Teil der Radfahrer.

15 km/h – mehr geht hier sowieso nicht!

Der ADFC hat hierzu dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
eine Stellungnahme zugesandt, die ich sehr begrüße. Eine Zusammenfassung findet man unter diesem Link auf der Seite des ADFC.

Aus meiner Sicht ist eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf gemeinsamen Geh-und Radwegen generell sinnvoll. Ich bin mir bewusst, dass eine von vielen Radfahrern (auch von mir) im Alltag gefahrene Geschwindigkeit von 20, 25 oder gar 30 km/h auf Radwegen dazu führen kann, dass unaufmerksame Fußgänger, spielende Kinder, Behinderte etc. gefährdet werden. Trotz der sichtbaren Abgrenzung der Radwege befinden sie sich auf Gehwegen, die als Schutzraum von Fußgängern und spielenden Kindern bewahrt werden müssen. Höhere Geschwindigkeiten sind hiermit nicht vereinbar.

Aus diesem Grund muss generell gefordert werden, dass für Radwege, auf denen bei einer höheren Geschwindigkeit als 15 km/h eine Gefährdung der oben genannten Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann, die Benutzungspflicht grundsätzlich nicht angeordnet wird. Eine Benutzungspflicht und gleichzeitige Einschränkung der Höchstgeschwindigkeit kommt sonst einer nicht zu rechtfertigenden Beschränkung des umweltfreundlichsten und im Verhältnis zu PKWs oder gar LKWs ungefährlichen Verkehrsmittels Fahrrad gleich.

Links:

  • zur Diskussion in der Newsgroup de.rec.fahrrad
  • zum Beitrag des berlinradlers im Blog der Radspannerei (einschließlich Diskussion)
  • Stellungnahme des BDR (Bund Deutscher Radfahrer) auf der Seite des Radsportverbands Hamburg – falls der Link zur Stellungnahme nicht geöffnet werden kann: ggf. mit dem Internet Explorer versuchen
  • Bericht im Newsbereich der ADFC-Website
  • Stellungnahme des ADFC (PDF-Datei)