Wir spenden Leben rockten die Cyclassics!

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Sonntag, 21. August 2011: Das Team Wir spenden Leben am Start der Vattenfall Cyclassics 2011.

Thorsten Schröder / Marc Bator (Tagesschau) © Upsolut/Hochzwei

Mit insgesamt 14 Starterinnen und Startern starteten wir auf allen Strecken und in allen Kategorien (55/100/155 km, sowie alle VIP-Wertungen)!

Die Anreise

Schon Freitag hatte ich ein Hotel in Harburg bezogen. Samstag stand die Akkreditierung und anschließend der Besuch auf der Cyclassics-Messe auf dem Programm. Unter Anderem hatte ich mich für die Standbetreuung unseres Teams einteilen lassen. Unser Dank gilt dem ADFC Hamburg für die freundliche Überlassung eines Teils des ADFC-Standes!

v.l.n.r.: Kurt Bodewig, Andrea, Pooky, Jörg

Nach einem leckeren, aber besucherbedingt sehr lauten Team-Abendessen mussten abends noch die Räder und die Bekleidung für das Rennen vorbereitete werden. Laufräder einbauen, aufpumpen, letzter Funktionscheck. Dies besonders, da ich gerade eine neue Kette montiert hatte und diese noch nicht testen konnte. Gegen 00:30 Uhr war alles bereit – und wir totmüde. Nicht einmal mehr fünf Stunden Schlaf lagen vor uns.

Der Start

Dennoch war es kein Problem, kurz vor Sieben bei der Kleiderabgabe zu sein. Ein paar Minuten später kamen wir am Start der 100/155 km-Strecke in Startblock C an. Allerdings war vom Team weit und breit noch nichts zu sehen.

Nach und nach trafen unsere Mitstreiter ein. Der Start stand kurz bevor. Das Einklicken hunderter Schuhe gab uns das Signal. Ein paar Sekunden später ging es los. Ein paar hundert Meter „neutralisiert“, da noch ohne Zeitmessung, forcierten wir gleich hinter dem Start das Tempo. Harry hatte sich eine klare Vorgabe gesetzt: 40er Schnitt. Da ich in den letzten drei Wochen zu wenig trainiert hatte stand für mich nur das Durchhalten auf dem Programm. Ich hatte also keinen Druck, was mir gut tat. Auf dem Weg zur Hufelandbrücke ging das Tempo auf über 40 km/h hoch. Noch recht angenehm, aber mit kalten Muskeln nur bedingt steigerbar. Mein Tacho entschied sich währenddessen, vorläufig zu pausieren. Ich hatte also keinen Anhaltspunkt mehr über Geschwindigkeit und zurückgelegte Strecke.

Dann die – von Vielen gefürchtete – Brücke. Ich hatte natürlich Respekt, da ich sie noch nicht einmal vom Sehen kannte. Als wir uns der Brücke näherten verlor ich diesen schnell. Ein Anstieg, klar, aber nichts, was man nicht auch anderswo finden könnte. Für meinen Geschmack zu langsam ging es mit 30 km/h hinauf. Harry hatte sich schon vorgearbeitet, was mir nicht gelang. Da ich nicht wusste, was ich heute würde leisten können, hielt ich mich bewusst etwas zurück.

Auf dem Weg nach Harburg merkte ich, dass es „lief“. Auch Geschwindigkeiten von 45-46 km/h ließen mich unbeeindruckt. Die Frage, ob ich die Strecke schaffen würde, wurde nebensächlich.

Flotte Fahrt nach Süden

Mein größtes Handicap war jetzt hauptsächlich das Peloton: in einer Gruppe von mehreren Hundert Fahrern lässt es sich zwar gut rollen, viele Möglichkeiten, das Tempo bewusst zu variieren, bieten sich jedoch nicht. Die Gruppe fuhr wie ein Block: flott, aber starr und undurchdringlich. Nur auf Abfahrten und nach Kurven bot sich für mich die Möglichkeit, Plätze gut zu machen, da die Mitfahrer es hier eher gemächlich angehen ließen. Es bildete sich zufällig so etwas wie eine Berliner Gruppe: hier ein Fahrer vom ESK, dort einer im Berlintrikot, zwischendurch mehrere Fahrer des Teams Helle Mitte Berlin.

Mein Tacho spielte jetzt auch wieder mit – nach einer 8 Kilometer-Pause. Bei km 50 war ich so weit an die Spitzengruppe des Blocks herangekommen, dass ich auch Harry wieder sehen konnte. Einige km später konnte ich dann endlich aufschließen. An Tempo machen war weiterhin nicht zu denken. Harry hatte eine Zeit lang vorne mitgearbeitet, war jedoch immer wieder von der Gruppe eingefangen und abgebremst worden. Also beließen wir es beim Mitrollen.

Block B

Auf dem „Rück“-Weg nach Hamburg kam dann das Feld von Block B in Sicht. Für uns war klar, dass wir sie „stellen“ mussten. Es dauerte auch nicht mehr lange, bis wir sie erreichten. Was ich nicht bedacht hatte: die von uns eingeholten Fahrer waren deutlich langsamer unterwegs als wir, was zu einem unharmonischen Block führte, der eine fast schon kritische Größe erreicht hatte. Mehrere Unfälle, die zum Teil direkt vor oder neben mir passierten, waren die Folge. Auf den nächsten Kilometern war Sicherheit daher für mich höchstes Gebot. Dann wieder in Hamburg – für mich (auch wegen der Tachoprobleme) unerwartet. Harry hatte ich aus den Augen verloren. Ich fürchtete, dass er in einen der Unfälle verwickelt worden sein könnte. Die Feldertrennung: die 100er fuhren zum Ziel, die 155er auf die Strecke der 55er, die inzwischen zum größten Teil im Ziel waren.

Die „kleine“ Schleife: Fahrt im Wind und Belgischer Kreisel

Plötzlich wurde aus dem Block mit einem traumhaften Windschatten eine dünne Kette einzelner Fahrer oder kleiner Grüppchen, die sich auf den Weg zur kleinen Schleife begaben. Um das Tempo zu halten musste jetzt gearbeitet werden. Plötzlich sah ich auf der rechten Seite „unser“ Trikot: Thorsten Schröder stand am Rand und hielt einen Plausch. Zeit wollte ich nicht verlieren, also brüllte ich nur „Thorsten, komm mit!“.

50 Meter vor mir fuhr eine kleinere Gruppe. Ohne Windschatten zu fahren war nicht mein Ziel, also musste ich da ran. Ich beschleunigte, fuhr mit einem Irrsinnstempo die Lücke zu. Dann hatte ich sie. Harry war auch wieder da. Ihm war also doch nichts passiert. Bald kam auch Thorsten. Die Gruppe wurde größer, die Kraftanstrengung beim Zufahren der Lücke hatte sich also gelohnt. Dieses Gefühl sollte mich aber trügen: bald schon ging das Tempo wieder auf 35 km/h herunter. Für mich ging das gar nicht. Ich fuhr wie ein aufgezogenes Uhrwerk. Ich übernahm die Führung und gab Stoff. Über 45 km/h – ich wollte die langsame Gruppe loswerden oder einzelne schnelle Fahrer mitziehen. Bremser konnte ich jetzt nicht mehr gebrauchen. Mein rechter Oberschenkel meldete sich, blieb aber weitgehend unauffällig.

© own work basierend auf dem Bild kreisel.gif von Benutzer: Head aus de.wikipedia.org

Ich bin jetzt allerdings nicht so vermessen, dass ich behaupten würde, lange Zeit im Wind bei solcher Geschwindigkeit fahren zu können. Ich fuhr, bis ich sicher war, dass hinter mir nur noch schnelle Fahrer sein konnten und ließ mich dann zurückfallen. Schnell kam ein Belgischer Kreisel bei einem Tempo von knapp über 40 km/h zustande. Da wir gegen den beständigen, wenn auch nicht starken Westwind fahren mussten, war dies die einzige Möglichkeit, schnell voranzukommen. Für mich ideal – was ich hier lernen durfte. Den Kreisel hatte ich nämlich nur aus Büchern gekannt!

Über einige Kilometer funktionierte dies, bis weniger disziplinierte Fahrer den Kreisel sprengten.  Dennoch waren wir inzwischen genug Fahrer, um auch so ein angenehmes Tempo fahren zu können.

Bergwertung und Einbruch

© first foto factory

Ich hatte mein zwei Flaschen Apfelschorle aufgebraucht – Pausen kamen nicht in Frage. Im Trikot steckte noch eine Flasche, dummerweise nur mit Wasser. Meine Gels gingen auch zur Neige. Bananen hatte ich noch, diese empfand ich bei den gefahrenen Geschwindigkeiten jedoch als problematisch. Meine Muskeln wurden zunehmend härter, sowohl die Waden wie auch meine Oberschenkel. Dann kam der Kösterberg – und mit ihm die Bergwertung. An sich ist der Kösterberg nicht problematisch, die 15 % Steigung haben eine überschaubare Länge, so dass man ihn – einigermaßen trainiert – leicht überwinden kann. Nach 130 km mit krampfenden Muskeln sieht dies jedoch anders aus. Ich fahre kleine Berge gern schnell hoch, so ging ich auch den Kösterberg an. Die Bergwertung, die hier stattfand, motivierte mich zusätzlich. Die meiste Zeit fuhr ich im Sitzen, dann wollte ich es wissen – und stand auf. Wiegetritt. Und sofort Krämpfe! Damit war die Bergwertung für mich gelaufen. Ich musste Harry und einige Andere ziehen lassen. Dennoch nahm er mir nur 3 Sekunden ab – er legte es aber auch nicht darauf an, da wir noch nicht am Ziel waren.

Das Ziel

Auf dem Weg hinunter in Richtung Hamburg konnte ich mich wieder ein wenig erholen, aß eine Banane, trank die Wasserflasche fast aus. Nur war dies natürlich viel zu spät. Ständig kurz vor dem Krampf stehend fuhr ich weiter, sah zu, dass ich Windschatten fand. Als der einmal nicht da war, fiel mein Tempo bis auf 25 km/h ab. Die Hügel hinter dem Kösterberg ließen es nicht zu, dass ich wieder zu Kräften kam. Ich quälte mich also in Richtung Altona, fuhr über die Reeperbahn, sah das Schild „noch 3 km“ – und gab noch einmal Gas – soweit es mit diesen Muskeln möglich war. In der Kaiser-Wilhem-Straße trafen wir dann auf die Finisher der 100km-Strecke. Dadurch wurde die Straße enger, an wirklich schnelles Fahren war kaum noch zu denken. Der letzte Kilometer, jetzt hieß es nur noch durchhalten. Die Zuschauer standen dicht an dicht, machten einen Riesenlärm – so wurde man förmlich ins Ziel getragen. Ob da jemand stand, den ich kannte? Ich sah Niemanden. War einfach nur glücklich. Riss die Arme hoch. Kurz nur, ich wollte jetzt nicht stürzen.

Also wieder an den Lenker, zum Jubeln musste der rechte Arm reichen.

Die Ziellinie. Dann ausrollen. Transponder abgeben. Nicht umfallen – einfacher gesagt als getan. Meine Beine zitterten.

Hinter der Transponderabgabe stand Harry. Er war natürlich schon etwas länger da, ca. 1 1/2 Minuten vor mir kam er ins Ziel.  Wir holten unsere Taschen, Getränke, Bananen. Ich erreichte langsam wieder so etwas wie einen Normalzustand. Telefon: Britta und Nicole waren auch gut ins Ziel gekommen. Toll!

Wir trafen uns am Stand, erzählten uns unsere „Abenteuer“ – obwohl die meisten die kürzeren Strecken gefahren waren war die Menge der Erlebnisse und Eindrücke durchaus vergleichbar. Dann die Info aus dem Internet: Harry und ich hatten die 40 km/h-Marke geknackt! Wir haben die Hansestadt gerockt!

Was aber wichtiger war: Alle waren ohne größere Blessuren ins Ziel gekommen, nur Jörg hatte einen (zum Glück leichten) Unfall, der ihn nicht am Weiterfahren hinderte.

v.l.n.r.: Britta, Nicole, Ralph

Die Teamergebnisse im Überblick (nach Zieleinlauf sortiert):

Platz Pl.AK Name Ankunft Fahrzeit km/h ∅ Wertung
21 6 » Bodewig, Kurt (GER) 09:38:42 01:54:42 29.82 55 km VIP
697 225 » Strobel, Nicole (GER) 10:26:45 01:54:28 29.88 55 km
818 317 » Münster, Britta (GER) 10:29:16 01:56:58 29.24 55 km
1459 23 » Schlepphorst, Werner (GER) 10:37:33 02:41:14 38.18 100 km
1935 880 » Hartmann, Thomas (GER) 10:40:13 02:43:54 37.56 100 km
3016 1371 » Fuhrmann, Andreas (GER) 10:45:22 02:49:05 36.41 100 km
DSQ DSQ » Wittmann, Ralph (GER) 10:55:29 DSQ 34.26 100 km
18 9 » Cheung, Po Keung (GER) 11:07:30 03:15:23 31.51 100 km VIP
7126 1203 » Obeloer, Frank (GER) 11:07:30 03:11:12 32.20 100 km
2 1 » Schulz, Andrea (GER) 11:07:30 03:15:23 31.51 100 km VIP
254 115 » Demant, Harald (GER) 11:49:47 03:54:00 40.31 155 km
322 139 » Stenzel, Andreas (GER) 11:51:25 03:55:39 40.03 155 km
8 5 » Schröder, Thorsten (GER) 11:53:09 04:04:07 38.64 155 km VIP
1028 332 » Wittmann, Jörg (GER) 12:09:57 04:14:12 37.11 155 km

Ralph wurde wegen der unsinnigen Regelung, dass man als gemeldeter „155er“ nicht nach 100 km ins Ziel fahren darf, disqualifiziert.

Ein tolles Rennwochenende liegt hinter uns. Die Fotos werden nach und nach gesichtet, bearbeitet und ausgetauscht. Die Normalität hat uns wieder. Aber diese Erfahrung ist – und bleibt – im Kopf!

P.S.: 1. möglicherweise habe ich einige Ereignisse chronologisch nicht ganz exakt wiedergegeben. Die Konzentration auf das Fahren hat viele andere Eindrücke verdrängt. 2. weitere Fotos folgen auf einer eigenen Seite!

3 Gedanken zu „Wir spenden Leben rockten die Cyclassics!

  1. Ja, toller Bericht. Und über 155km mit all den Hügeln einen 40er Schnitt, Respekt! Die Regel, dass man als 155er nach 100km nicht aufhören darf, halrte Ich auch für unsinnig. Dien P.S.: 1. möglicherweise habe ich einige Ereignisse chronologisch nicht ganz exakt wiedergegeben. Die Konzentration auf das Fahren hat viele andere Eindrücke verdrängt. Das ging mir genauso.

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