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Der Radsportverlag covadonga hat wieder einmal ein Buch herausgegeben, auf das die Radler(innen)gemeinde lange gewartet hat: Frau & Rennrad.
Das Titelbild hat in den „Social Media“ bereits für Aufsehen gesorgt. Kein 11fach-Ritzelpaket, kein „Quäl dich!“ rufender oder im Zielsprint das Rad malträtierender Sportler, sondern zwei schick gekleidete junge Frauen, die in schwarz-rosa-weiß so ziemlich jedes Klischee erfüllen, das Mann von radfahrenden Frauen auf Lager hat.
Nach der Lektüre des Buches können wir nur sagen: Gut gemacht, Nynke de Jong, Marijn de Vries und Covadonga! Endlich ein Buch, in dem all die Tipps zu finden sind, die Radsportanfänger so dringend benötigen, aber nie geballt an einer Stelle finden. Dass wir an dieser Stelle nicht explizit die weibliche Form verwenden ist Absicht: auch Männer haben mitunter banale Fragen zum Thema, auch Männer trauen sich nicht sofort alles zu. Gerade Diejenigen, die sich sofort alles zutrauen, sollten das Buch besonders aufmerksam lesen. Die Autorinnen schreiben viel über ihre Zweifel, über Ängste, die für Anfänger normal sind aber auch darüber, wie Frau/Mann Angst machende Situationen zu meistern lernt. Und das beginnt schon bei scheinbar simplen Dingen: wie greife ich nach der Trinkflasche, ohne meine Mitfahrer zu Fall zu bringen? Wie öffne ich einen Müsliriegel während der Fahrt? Was mache ich gegen einen schmerzenden Po?
Frau & Rennrad schafft es, einen Einblick in die Vielfalt des Frauenradsports zu vermitteln. Von der Alternative zum „Fettpölsterchenentfernen“ bis hin zum Amateur- und Profiradsport in der Weltelite. Lassen wir Nynke de Jong zuerst zu Wort kommen:
In den letzten Jahren saß ich jahrein, jahraus – immer so im Januar – mutlos auf meiner Couch. Ich kniff in meine Fettpölsterchen. Das Fett wabbelte gemütlich hin und her. So rumhängend schaute ich mir die Verwüstung an, die zahlreiche Weihnachtsbraten angerichtet hatten. Mein Körper war zu einer einzigen großen Gallertmasse verkommen, und wenn ich mal kurz sprinten musste, um meinen Zug noch zu kriegen, stand ich eine Viertelstunde später immer noch kurzatmig im Abteil.
Und jedes Jahr dachte ich aufs Neue: Jetzt mache ich es anders. Dieses Jahr mache ich Sport. Schlank werden, eine Superkondition aufbauen. Dieses Jahr werde ich so ein Mädchen mit gesunden Apfelwangen.
Und als Kontrast dazu die Einleitung von Marijn de Vries:
Ich trainierte auf einmal täglich und fühlte, wie meine Kondition und meine Kräfte wuchsen. Aber konnte ich auch an richtigen Rennen teilnehmen? Total grün hinter den Ohren stieg ich im März 2009 in die Radrennsaison ein. Erst unterwegs fiel mir auf, wie wenig ich wusste. Wann sollte ich reagiern, wenn jemand attackierte und nach vorne preschte? Was macht man, wenn man einen Platten hat? Wie nehme ich in voller Fahrt eine Trinkflasche entgegen? … Und ich stürzte. …
Nach einem knappen Jahr Radrennsport fuhr ich also auf einmal zwischen Weltklassefahrerinnen. Unglaublich. Und noch jeden Tag fühle ich mich wie ein Kind im Süßwarenladen.
Der technische Teil wurde sinnvollerweise kurz gehalten. Nicht sinnvollerweise, weil sich das Buch an Frauen wendet, sondern sinnvollerweise, weil das Buch nur der Einstieg in den Radsport sein soll. Wer tiefer einsteigen will, findet ausführliche Informationen und Ratgeber im Internet oder in gedruckter Form. Die Autorinnen haben lediglich den Anspruch, dass die Leserin nach der Lektüre im Radsportgeschäft die richtigen Fragen stellen kann und sich im unüberschaubaren Angebot orientieren kann. Und dieser Anspruch sollte durchaus erfüllt werden können.
Lesenswert ist „Frau & Rennrad“ vor Allem durch die sehr humorvoll geschriebenen kurzen Essays über Spaß, Leiden und Erfahrungen rund ums Rennradfahren. Wir erfahren einiges über die Beziehungen von Nynke de Jong zu Fahrradmechanikern, ihren ersten Sturz und den Spaß daran, andere Radsportler zu überholen:
Am liebsten überhole ich Männer. Das hat einen ganz kindischen Grund: Männer finden es ganz furchtbar, wenn sie von Frauen überholt werden. Mit diesem Wissen an jemandem vorbeizurattern, ist eine doppelte Belohnung.
Die Männer müssen natürlich schon halbwegs herausgeputzt auf ihrem Rad sitzen, sonst macht es keinen Spaß. Alte Männer auf einem heruntergekommenen Rad überholt man nicht. Die lässt man am Hinterrad lutschen, damit sie eine Weile vor dem Wind geschützt sind. Und auf deinen Hintern starren können.
Aber mit den herausgeputzten Männern kann man sich messen.
Was Beinlinge mit Rouladenbeinen zu tun haben, erfahren wir an anderer Stelle:
Beinlinge sind die beste Erfindung des Radsports überhaupt … Leider sind meine Beinlinge etwas zu knapp für den unteren Teil meines Körpers. Dadurch habe ich an kalten Tagen immer Rouladenbeine. … Beinlinge und ich, das ist eine Hassliebe. Deshalb warte ich immer sehnsüchtig auf die ersten Sonnenstrahlen; die Vorboten einer Rennradsaison ohne Beinlinge.
Trotz des offensichtlichen Erfahrungs- und Leistungsgefälles zwischen den beiden Autorinnen (Marijn de Vries ist seit einigen Jahren Profiradsportlerin, Nynke de Jong rennradfahrende Journalistin) gibt es keine strenge Trennung der Themen. So schreibt Marijn de Vries über ihren unbändigen Hunger auf Etappenfahrten, die Schwierigkeit, mit dem unvermeidlichen Rotz umzugehen und über spröde Lippen.
Wer jetzt Zweideutiges vermutet, liegt durchaus richtig. Themen, die im Männerradsport vielleicht in Umkleidekabinen, aber so gut wie nie in Ratgebern angesprochen werden, werden hier an- und ausgesprochen. Ohne Scham, ohne Schlüpfrigkeiten. Der Genitalbereich gehört schließlich zu den Stellen, die am stärksten belastet werden und – gerade, aber nicht nur Anfänger(inne)n – die größten Probleme bereiten können.
Abgerundet wird das Buch durch kleine Texte von mehr oder weniger bekannten Radsport treibenen Frauen, darunter die Siegerin des Frauenrennens am Schlusstag der TdF, Marianne Vos und den in Berlin recht populären Berlin Roadgirls.
Britta in einem Gespräch über Frau & Rennrad
Mein erster Eindruck? Das Cover: Pink. Typisch Frau. Nach dem Blättern kann ich sagen: Es sieht interessant aus, nach dem ersten Probelesen macht es neugierig. Beim Vorwort lesen wusste ich übrigens nicht, von wem es geschrieben wurde. Ich dachte, es wäre von einer Frau.
Was mir am besten gefallen hat? Die Einleitung: Nynke über „Gesunde Apfelwangen“. Wiedererkannt habe ich mich nicht, aber es war lustig. Und natürlich die Aussage von Isabell (von den Roadgirls) über Kleidung: „Ich mag die Sachen, die ohne Blümchenschnickschnack auskommen und durchdacht sind…“ Ich nämlich auch! Marijn gebe ich recht, wenn sie über weiße Rennradhosen schreibt: „… ich möchte auch nicht die Poritze meiner Mitstreiterinnen durch die Hose hindurchschimmern sehen.“
Was ich noch nicht wusste? Technische Sachen. Aber dafür gibt`s ja den Fahrradmechaniker meines Vertrauens oder wie Nynke de Jong schreibt: den „Fahrradmechaniker zum Anbeißen“.
Man sollte die Tipps über das Dehnen befolgen. Ich mache es noch nicht, aber ich werde mir Mühe geben 😉
Mein Fazit? Das Buch ist sehr interessant geschrieben, sehr ausführlich und mit vielen Hinweisen und Tipps in jeglicher Hinsicht: Kleidung, Technik, Gruppen- und Einzelfahrten, Bergfahren… alles was man so wissen muss. Empfehlen würde ich das Buch jeder Frau, die Interesse am Rennradfahren hat und sich bisher nicht getraut hat, sich näher damit zu beschäftigen.
Ein Tipp von BikeBlogBerlin
Der einzige Grund, weshalb man Frauen (oder genauer: der eigenen Frau oder Freundin) vom Kauf dieses Ratgebers abraten sollte ist das Kapitel, in dem Tipps gegeben werden, wie Frauen ihre männlichen Mitfahrer abhängen können. Dieses gemeine Vorhaben lässt sich jedoch rechtzeitig vereiteln, wenn Mann weiß, wie es geht. Daher mein Tipp: Jungs, lest das Buch zuerst 😉
Links
Blick ins Buch
Covadonga-Verlag
Nynke de Jong; Marijn de Vries: Frau & Rennrad
Handbuch für die Hobbyradsportlerin
Aus dem Niederländischen von Ulrike Nagel
Mit einem Vorwort Von Marcel Kittel
Covadonga Verlag, 2014
ISBN 978-3-936973-93-8
Broschur; 168 Seiten im Format 20 cm x 16,5 cm, Ladenpreis: EUR 12,80 [D]
Alle Zitate wurden dem Buch entnommen. Danke an Rainer Sprehe vom Verlag Covadonga für die Zusendung des Rezensionsexemplares!
Hinweis zur Kennzeichnung als „Werbung“
Ich habe das Rezensionsexemplar vom Verlag unentgeltlich zur Verfügung gestellt bekommen. Daher muss ich diesen Artikel nach aktuellem Rechtsverständnis als Werbung kennzeichnen.