Wer rast, tötet

© Arno Bachert / pixelio.de

© Arno Bachert / pixelio.de

Wer rast, tötet.
Unter diesem drastischen Motto wird kommende Woche ein Marathon der besonderen Art durchgeführt: ein bundesweiter Blitzmarathon. Es geht nicht um „Abzocke“, sondern darum, das „Kavaliersdelikt“ Geschwindigkeitsübertretung im Bewusstsein der Öffentlichkeit dort einzuordnen, wo es tatsächlich hingehört: als die fahrlässige oder gar bewusste Inkaufnahme von schweren oder tödlichen Unfällen, die durch konsequente Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zumindest teilweise vermeidbar wären. Der provozierende Tonfall der Pressemitteilung sticht im Verhältnis zu den ansonsten betont sachlichen Verlautbarungen der Berliner Polizei deutlich hervor. Er erscheint jedoch angemessen, wenn man sich vor Augen hält, welche Folgen Unfälle durch das Rasen für die Opfer haben können.

Der Satz „Wir sind es leid, andere Menschen leiden zu sehen“ zeigt Polizeibeamte und andere Helfer, die berufsbedingt das Leid anderer Menschen miterleben müssen, aus einem anderen Blickwinkel: auch an Helfern gehen solche – vermeidbaren – Unfälle nicht einfach vorbei, auch sie sind in gewisser Weise Opfer: als einzelne Menschen meist ebenso hilflos wie diejenigen, die „nur“ Zeugen wurden. Nur eine lang eingeübte Professionalität ermöglicht es ihnen, die Rolle des sachlichen Helfers in solchen Situationen auszuüben. Der Frage, wie es ihnen nach dem Dienst, als Privatmenschen, geht, steht die Öffentlichkeit meist recht gleichgültig gegenüber – vielmehr wird diese Frage nur selten gestellt.

Daher unterstütze ich diese bundesweite Aktion vorbehaltlos: Rasen ist kein Ausdruck von Freiheit, sondern von Ignoranz anderen und vor allem schwächeren Verkehrsteilnehmern gegenüber! Sicherlich ließen sich noch mehr Unfälle vermeiden, wenn konsequent Tempo 30 in Innenstädten angeordnet werden würde. Dies ist jedoch nicht Zuständigkeit bzw. Aufgabe der Polizei, die lediglich die Einhaltung der geltenden Regeln kontrollieren kann.

Hier der Text der Pressemeldung:

1. Bundesweiter 24-Stunden-Blitzmarathon – 24 Stunden konsequent gegen Schnellfahrer, 24 Stunden konsequent Leben retten

# 2540

Deutschlandweit – gemeinsam gegen Schnellfahrer

Unter diesem Motto wird sich auch die Hauptstadtpolizei in der kommenden Woche an dem ersten gemeinsamen 24-Stunden-Blitzmarathon aller 16 Bundesländer beteiligen.
In Deutschland ist nicht angepasste Geschwindigkeit die häufigste Hauptunfallursache für tödliche Verkehrsunfälle. Von 3.600 Verkehrstoten im vergangenen Jahr starb mehr als jeder Dritte durch Geschwindigkeitsüberschreitungen.
Im Berliner Straßenverkehr war im Jahr 2012 nicht angepasste oder gar überhöhte Geschwindigkeit in 3.480 Fällen hauptursächlich für Verkehrsunfälle. Dies bedeutet eine Zunahme von fast 15 Prozent gegenüber dem Jahr 2011. Keine andere Hauptunfallursache hatte auch nur annähernd eine vergleichbare Steigerung zu verzeichnen. Bei mehr als jedem Dritten dieser Unfälle wurde ein Mensch verletzt. Sechs Verkehrsteilnehmer verunglückten sogar tödlich, was für viele Angehörige und Hinterbliebene großes Leid bedeutete.

Geschwindigkeit ist keine Hexerei – aber gefährlich
Mit zunehmender Geschwindigkeit wird nicht nur der Anhalteweg deutlich länger, auch die Wucht des Aufpralls im Falle eines Zusammenstoßes verstärkt sich gewaltig. Bereits wenige km/h zu viel können insbesondere für die schwächsten Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Beispielsweise kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung von nur 20 km/h in einer Tempo-30-Zone vor einer Schule oder in einem Wohngebiet für ein Kind tödlich sein, wenn es 15 Meter vor einem fahrenden Fahrzeug plötzlich auf die Fahrbahn läuft. Während der Fahrer bei vorschriftsmäßigen 30 km/h noch knapp vor dem Kind zum Stehen kommen kann, würde er bei 50 km/h das Kind voraussichtlich völlig ungebremst mit voller Wucht erfassen.

Wer rast, tötet
Während bei einem Aufprall mit 50 km/h rund 60% der Fußgänger überleben, sterben bei einem Aufprall mit 70 km/h etwa 95% – schon 20 km/h entscheiden also oft über Leben und Tod! Deshalb sind Verkehrsregeln nicht verhandelbar! Deshalb tolerieren wir keine Raser!

Rasen ist unsozial
Regeln werden von der Gesellschaft für die Gesellschaft gemacht. Wer sich nicht daran hält, verachtet unsere Gemeinschaft. Es ist auch zu bedenken, dass jeder Verkehrsunfall mit Verunglückten nicht nur Leid für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für deren soziales Umfeld bedeutet.

Wir sind es leid, andere Menschen leiden zu sehen
Auch wir fühlen mit den Menschen und können die schrecklichen Bilder im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen nicht einfach vergessen. Denn auch wir haben Familien und möchten, dass unsere Kinder und Lebenspartner sicher nach Hause kommen!

Vor diesem Hintergrund wird die Polizei Berlin in Kooperation mit dem benachbarten Land Brandenburg und allen anderen Bundesländern von Donnerstag, den 10. Oktober 2013, 6.00 Uhr, bis Freitag, den 11. Oktober 2013, 6.00 Uhr, über den gesamten 24-stündigen Zeitraum ihre Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen in erheblichem Maße intensivieren. Über 14.700 Polizisten an knapp 8.600 Kontrollstellen sowie unzählige mobile Streifen werden im gesamten Bundesgebiet ein Zeichen setzen: keine Toleranz gegenüber Rasern! Denn wer gesellschaftliche Normen nicht akzeptiert, dessen Fehlverhalten darf auch von der Gesellschaft nicht toleriert werden.

Ziel ist es, die Hauptunfallursache Geschwindigkeit verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und Autofahrern möglichst in persönlichen Gesprächen das hohe Gefahrenpotential überhöhter Geschwindigkeiten zu verdeutlichen. Dabei geht die Polizei von der Überzeugung aus, dass zu schnelles Fahren regelmäßig kein Augenblicksversagen, sondern vielmehr eine persönliche Einstellungssache ist. Wer zu schnell fährt, tut dies grundsätzlich überall – auf der Autobahn und in Wohnstraßen.

Wir wollen nicht abzocken sondern Leben retten
Dennoch ist es der Polizei Berlin ein besonderes Anliegen, dem typischen Vorwurf der „Abzocke“ durch besonders transparente Öffentlichkeitsarbeit zu begegnen. In diesem Sinne wird die Schwerpunktaktion nicht nur im Vorfeld offensiv angekündigt, sondern es werden darüber hinaus sämtliche vorausgeplanten Kontrollorte veröffentlicht. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass z. B. besondere Verkehrssituationen an geplanten Einsatzörtlichkeiten oder eine nicht vorhersehbare Einsatzlage einzelner Dienststellen eine kurzfristige Anpassung notwendig machen können.
Dabei wird sich die Auswahl der Kontrollorte nicht nur an den sonst relevanten Auswahlkriterien (Unfallhäufungsstrecken, schutzwürdige Straßenbereiche wie vor Kindergärten und Schulen, reine Wohngebiete, Straßen mit oft registrierter Geschwindigkeitsüberschreitung) orientieren. Mehr noch als sonst im täglichen Dienst werden die zahlreichen Bürgerhinweise auf die als subjektiv empfundenen „Raserstrecken“ in Wohngebieten Berücksichtigung finden.
Denn Rasen ist ein gesellschaftliches Problem, das jeden betrifft. Ob als Opfer, Hinterbliebener oder Täter! Deshalb warten wir nicht bis etwas Schlimmes passiert, sondern kontrollieren an diesem Tag überall dort, wo Gefahren bestehen und gerast wird!
Es wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht darum geht, möglichst viele Schnellfahrer zu erwischen. Vielmehr steht an jeder Örtlichkeit allein der für die Verkehrssicherheit zu erzielende positive Effekt im Vordergrund.

Insgesamt werden an diesem Tag und in der Nacht in Berlin weit mehr als 250 ständig wechselnde Radar- und Laserkontrollorte eingerichtet werden. Zusätzlich werden alle 21 Videofahrzeuge im Stadtgebiet und auf allen Autobahnstrecken unterwegs sein. Ein Großteil der Einsätze wird mit dem sofortigen Anhalten von Schnellfahrern verbunden sein, um in verkehrsaufklärerischen Gesprächen möglichst unmittelbar auf die Betroffenen zur Sensibilisierung einwirken zu können.

Deutschlandweit gemeinsam gegen Schnellfahrer!

[via Polizei Berlin: Pressemeldungen]

Wer es dringend wissen muss, findet unter dem oben genannten Link auch die Liste der kontrollierten Straßen in Berlin. Das Land Brandenburg wird eine entsprechende Liste auf Ihrer Website „Internetwache Brandenburg“ ebenfalls veröffentlichen.