Triathlon. Eine Art terra incognita für mich und BikeBlogBerlin. Bisher wurde dieser Bereich hier vernachlässigt. Radsport und Triathlon sind zwangsläufig „verwandt“, existieren aber weitgehend in zwei getrennten Universen.
Zeit, um eine Brücke zwischen diesen Universen zu schlagen. Ich hatte die Gelegenheit erhalten, als Staffelstarter bei der Challenge Roth anzutreten. Obwohl ich nicht wusste, worauf ich mich einließ, sagte ich zu.
Staffel im Triathlon? In Roth heißt dies, drei Teammitglieder teilen sich die Ironman-Strecke: 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren, 42,195 km Laufen. Ich durfte – natürlich – die Radstrecke absolvieren.
Bereits im April konnte ich auf Mallorca ein Zeitfahrrad testen. Ein eindrucksvolles Erlebnis. Dennoch entschied ich mich gegen ein Zeitfahrrad, das ich nur leihweise hätte bekommen können. Ich wollte mein vertrautes, eigenes Rennrad nutzen, das ich mit einem Zeitfahraufsatz „hochgerüstet“ hatte.
Der Name Roth ist Vielen nur in Verbindung mit dem Triathlon ein Begriff. Ein kleines Städtchen, in einer schönen Landschaft unweit des Main-Donau-Kanals in der Nähe von Nürnberg gelegen. Jedes Jahr im Juli wird jedoch aus diesem Städtchen das Mekka des deutschen Triathlons. 5.000 Teilnehmer aus aller Welt mit ihren Familien und (bei den Profis) ihren Teams sowie hunderttausende Zuschauer bevölkern Ort und Region.
Im Juli 2013 sollte nun auch meine Triathlon-Premiere stattfinden. Da für mich ein kompletter Triathlon auf der Ironmandistanz undenkbar ist, bekam ich einen Platz als Radfahrer in der Staffel zugeteilt. Am 14. Juli um 4 Uhr morgens klingelte der Wecker. Die Anwesenheit beim Schwimmstart der Profis am frühen Morgen war auch für uns Amateure (selbst auferlegtes) Pflichtprogramm.
5:45 Uhr waren wir am Main-Donau-Kanal. Eine Bundeswasserstraße, Ausmaße und Wasserfärbung machten uns klar, dass es hier normalerweise keinen Grund gibt, ins Wasser zu steigen. Dennoch für die Schwimmer eine gute Wahl: übersichtlich und wenig windanfällig verspricht der Kanal schnelle Schwimmzeiten.
Kühle 9 Grad ließen sogar das Schwimmen im grünlichen, 20 Grad warmen Kanalwasser erstrebenswert erscheinen. Erlaubt war es jedoch nur den Triathleten und – rund 2 Stunden nach dem ersten Start – den Staffelschwimmern. So mussten wir fröstelnd am Ufer ausharren.
Der Sonnenaufgang tauchte die Gegend in ein warmes Licht, dünne Nebelschwaden zogen über das Wasser, die Nationalhymnen wurden angespielt, der Startschuss fiel: die erste Gruppe der Top-Triathleten wühlte das Wasser auf. Die Atmosphäre war grandios und entschädigte für das frühe Aufstehen und das Frieren vor dem Start.
Eine runde 3/4 Stunde später schwamm die Führungsgruppe an uns vorbei zum nur wenige Meter entfernt liegenden Ausstieg.
Inzwischen waren mehrere Tausend Schwimmer unterwegs.
Während sich unsere Schwimmer für den Start vorbereiteten hatten die Radfahrer noch etwas Zeit, letzte Vorbereitungen zu treffen. Umziehen, eine letzte Kohlenhydratzufuhr, ein letzter Gang zu den – für die Athleten in ausreichender Zahl vorhandenen – Toiletten, Reifendruck prüfen, Tacho anbauen, GPS aktivieren und so weiter.
8:45 Uhr: Start für unsere Teamschwimmer. Jetzt wurde es auch für uns ernst. Wir Radfahrer warteten währenddessen bereits in der Wechselzone.
9:30 Uhr: Die ersten Klasseschwimmer kamen in die Wechselzone. Wir sahen deutlich, dass auch bei den Staffeln Welten zwischen uns Hobbysportlern und den Leistungssportlern liegen. Gute 10 Minuten später kam unser erster Schwimmer ins Ziel. Hervorragend! Ich durfte dann 20 Minuten später – fast exakt zur geplanten Zeit – auf die Strecke. Heike, unsere Schwimmerin, schaffte die 3,8 Kilometer in 01:14:55 Stunden. Klasse! Ich übernahm den Chip von ihr und lief mit meinem Rad zum Ausgang der Wechselzone.
Eigentlich müsste ich jetzt den kommenden Satz mit „natürlich“ beginnen. Wie bei nahezu jedem Rennen ging jetzt etwas schief: irgendwie schaffte ich es, den Tacho vom Rad zu fegen. Stoppen, umdrehen, Tacho greifen und weiter. Die zweitschlechteste Wechselzeit unserer Teams war mir somit sicher. Dies sollte aber glücklicherweise meine einzige Fehlleistung bleiben.

Die ersten Kilometer der Radstrecke waren dicht von Fans umlagert. An einen ruhigen Start war somit nicht zu denken. Erst nach 5 Kilometern realisierte ich, dass ich mit einem Schnitt von über 40 km/h deutlich zu schnell unterwegs war. So reduzierte ich das Tempo erheblich. Dennoch war ich weiterhin schnell – letztlich zu schnell – unterwegs. Nach der ersten Runde hatte ich einen Schnitt von fast 34 km/h auf dem Tacho.
Ein Grund war sicherlich, dass wir auf der ersten Runde mit vielen guten und schnellen Triathleten gemeinsam auf der Strecke waren. Unwillkürlich orientiert man sich an diesen, langsamer und ökonomischer zu fahren fällt in diesem Umfeld schwer.
Die Radstrecke der Challenge weist keine echten Berge, dafür einen fast ständigen Wechsel zwischen leichten Anstiegen und ebensolchen Abfahrten auf. Lediglich ein etwas anspruchsvollerer Anstieg mit ca. 12 % Steigung wartet – zweimal – auf die Athleten. Der legendäre Solarer Berg fällt selbst für Berliner Sportler eher in die Kategorie „Asphaltblase“, weist weder nennenswerte Steigungsprozente noch eine wirklich kraftraubende Länge auf. Allerdings scheinen nach 150 km auch kleine Hügel plötzlich in den Himmel zu wachsen.
Während die Elite bereits auf der Laufstrecke war fuhr ich mit anderen Triathleten, die sich bereits dem Ende ihrer zweiten Runde näherten, in Solar ein. Unwissend, was auf mich zukommen könnte, nahm ich die letzte Kurve vor dem Anstieg zum Solarer Berg. Bereits von Weitem konnten wir sehen, was bzw. wer uns erwartete: eine dichte Menschenmenge, die rechts und links der Straße stand. Rechts und links der Straße? Ich sollte vielmehr schreiben: rechts und links der schmalen Fahrrinne, die uns Radsportlern freigehalten wurde. Nebeneinander fahren war unmöglich. Alp d’Huez? Kindergarten. Das Herz des Radsports schlägt im Frankenland!
Wer nicht dabei war sollte sich die Fotos und Videos ansehen, die an dieser Stelle entstanden sind. Selbst abgebrühte Profis können hier nicht anders, als mit einem breiten Grinsen durch dieses Nadelöhr zu fahren.
Wer den Solarer Berg erreicht hat, beginnt bald darauf die zweite Runde oder darf bereits zum zweiten Wechsel in Richtung Roth fahren. Für mich begann die zweite Runde. Viele meiner Begleiter, die aufgrund des frühen Starts der Triathleten bereits ihre zweite Runde hinter sich hatten, fuhren dann in Richtung Roth, um die Laufstrecke in Angriff zu nehmen.
So wurde die Strecke nach der Feldertrennung auch deutlich leerer, die Athleten, die während meiner ersten Runde das Tempo in starkem Maße beeinflussten, waren verschwunden. Da ich die erste Runde zu schnell angegangen war, war dies nicht unbedingt nachteilig. Ich konzentrierte mich jetzt stärker darauf, mein Ziel im Auge zu behalten und die Strecke in weniger als 5 1/2 Stunden zu absolvieren. Allerdings gab es jetzt wieder eine Konkurrenz, der ich mich stellte: ein Kollege, der für eine andere Mannschaft auf der Strecke war und den ich bereits überholt hatte, holte mich auf der zweiten Runde wieder ein. Der zweiten Durchfahrt der Steigung am Kalvarienberg in Greding musste ich Tribut zollen: fast im Schritt-Tempo kroch ich die 2 km lange – für mich endlose – Steigung empor. Auch danach brach meine Leistung bei Steigungen regelmäßig ein. Ich musste im Lauf der letzten 60 km feststellen, dass er deutlich besser mit diesen Bedingungen zurecht kam. Ging es bergab oder konnten wir auf Flachstücken Tempo machen, zog ich wieder an ihm vorbei. Es entwickelte sich zu einem privaten Wettrennen, das uns beide motivierte und bis ins Ziel begleitete. Wer das Rennen für sich entscheiden konnte, wird hier jedoch nicht verraten.
Auf den letzten 40 Kilometern begleiteten mich neben meinen Konkurrenten auch Krämpfe in den Oberschenkeln. Der Solarer Berg, den ich eben noch großspurig als Asphaltblase tituliert hatte, wurde plötzlich zu einer steilen Wand. Mag es für den einen oder anderen Athleten schade gewesen sein, dass das Zuschauerinteresse an dieser Stelle mit dem Ende der zweiten Runde der Top-Triathleten deutlich geringer wurde, so war es für mich ein Segen. Jeder Zuschauer weniger war ein Zeuge weniger, der mir die Qual hätte ansehen können.
Jetzt hieß es nur noch durchhalten, ankommen. Nachträglich kann ich sagen, dass mein Schnitt auf der zweiten Runde streckenweise 4-5 km/h niedriger lag als auf der ersten Runde. Ein klares Zeichen dafür, dass ich das Rennen viel zu schnell begonnen hatte und so stärker abbaute, als es bei einem ruhigen Beginn geschehen wäre.
Endlich in Roth. Der Tacho zeigte 178 km an. Noch 2 Kilometer bis zur Wechselzone. Nur die Kilometerschilder zeigten etwas anderes an. Ich war verwirrt. Eine letzte leichte Abfahrt, das Tempo stieg noch einmal auf über 40 km/h an, ohne dass ich viel dazu beitragen musste. Der Puls stieg – bedingt durch die Krämpfe, die mein Tempo begrenzten – sowieso nicht mehr über den Grundlagenbereich hinaus an. Eine Rechtskurve.

Statt der befürchteten letzten 1500 Meter stand ich abrupt vor der Wechselzone. 05:28:11 Stunden benötigte ich vom Start am Main-Donau-Kanal bis hier.
Absteigen, die Startnummer vorzeigen, den Helfern mein Rad in die Hand drücken und: sprinten. Unsere Läufer mussten dummerweise am Ende der Wechselzone warten. Ich fand mein Team, warf mich auf den Boden, Thomas, unser Läufer, nahm den Chip an sich und lief los. Ich blieb liegen. Geschafft. In diesem Moment einfach nur: geschafft. Mehr war nicht wichtig.
Als ich wieder auf den Beinen war, stellte ich fest, wie warm es geworden war. Die Läufer, die bei der Hitze einen kompletten Marathon absolvieren mussten, waren nicht zu beneiden. Ich war fertig. Es dauerte lange, bis ich mich gesammelt hatte und wieder etwas zu Kräften gekommen war.
Währenddessen liefen die Staffelläufer auf der landschaftlich recht eintönigen Marathonstrecke entlang des Main-Donau-Kanals.
Einige Stunden später warteten wir am Eingang des Triathlonstadions in Roth auf unsere Läufer. Nach und nach kamen sie an uns vorbei. Schwimmer und Radfahrer liefen die letzten 200 Meter mit ihnen ins Stadion. Bald kam auch Thomas, unser Schlussläufer. Er wollte unbedingt unter vier Stunden bleiben und rannte mit uns ins Stadion. Wir mussten dran bleiben, wollten wir als Team ins Ziel kommen.

Wir überholten andere Läufer, meine Waden brannten, aber wir kamen mit 03:59:07 Stunden innerhalb seiner Wunschzeit ins Ziel!
Durch eine rundum geschlossene Mannschaftsleistung absolvierten wir die Ironmanstrecke in insgesamt 10:45:47 Stunden und kamen als 267. von 631 Staffeln ins Ziel!
Den Abschluss des Ironmantages bildete dann eine Feier im Triathlonstadion in Roth. Um diese Feier im Stadion miterleben zu können muss man sich jedoch rechtzeitig einen Sitzplatz sichern. Wir verfolgten das Spektaktel so gut es ging außerhalb des Stadions, konnten jedoch das Feuerwerk als krönenden Abschluss in seiner ganzen Pracht genießen.
Wer als Zuschauer oder Teilnehmer die Challenge in Roth erleben möchte sollte viel Zeit mitbringen und das gesamte Programm wahrnehmen: den Beginn des neuen Tages und den frühmorgendlichen Schwimmstart, die Radrunden und die ausgelassene Stimmung am Solarer Berg, den Marathonlauf mit dem Zieleinlauf im Stadion bis hin zur Abschlussfeier mit dem stimmungsvollen Abschlussfeuerwerk am Abend.
Für die Teilnehmer stellt sich die Challenge als perfekt organisierte Veranstaltung dar, die jedoch auch teuer bezahlt werden muss. Zuschauer benötigen „Sitzfleisch“, werden aber mit hautnahem Kontakt zu Spitzensportlern und vielen Jedermann-Athleten belohnt.
Wenn man an der Veranstaltung etwas Kritikwürdiges sucht, findet man dies in dem Verkehrschaos, das Zuschauer, Helfer und Aktive in der Gegend verursachen. In Ermangelung sinnvoller, umweltfreundlicher Alternativen scheint hier jedoch kaum eine Abhilfe in Sicht. Lediglich ein planungs- und kostenintensiver Bus-Shuttle für alle Teilnehmer könnte das Chaos abmildern.
Für 2014 ist die Challenge inzwischen komplett ausgebucht. Wer keinen Wert auf die Teilnahme über die Gesamtstrecke legt könnte über eine Anfrage bei großen teilnehmenden Teams noch Gelegenheit finden, 2014 auf einer Teilstrecke als Staffelstarter anzutreten. Große Teams werden u.a. von den Firmen Arndt, Recaro, TNT und Datev gestellt.
Wir sehen uns dann 2014 in Roth?
P.S.: Mein Dank gilt meinem Team für die Möglichkeit, an dieser unvergesslichen Veranstaltung teilzunehmen, Britta für die Unterstützung und das Fotografieren und meiner Tochter, die sich an diesem Tag etwas gelangweilt hatte, aber dennoch in Roth dabei war.