Zumindest meines Radfahrerlebens. Ist die Spannung hoch genug?
Dann will ich berichten.
Die Vorgeschichte. Am vergangenen Sonntag fand anlässlich des Altlandsberger Sattelfestes ein Zeitfahren über 4 km statt. Aus einer mir nicht so ganz erklärlichen Stimmung heraus hatte ich mich dazu entschlossen, dem Wind die Stirn zu bieten und mich der Berlin-Brandenburger ProminenzKonkurrenz zu stellen.
Verrückt? Ja, ein wenig.
Das in deinem Alter! Ja, soll ich etwa noch länger warten?
Hast du überhaupt trainiert? Der erste vernünftige Kommentar.
Ich möchte ein wenig ausholen. 2010 sollte ein für meine Verhältnisse „großes“ Radsportjahr werden. Bis Ende April hatte ich nach dem langen Schneewinter gut 1.300 km auf dem Rad zusammenbekommen. Velothon, Cyclassics standen auf dem Programm. Dann ein Unfall, der mich längere Zeit ausschaltete und mir die Lust nahm. Sogar die Lust, überhaupt wieder auf das Rennrad zu steigen.
Das änderte sich, als ich las, dass die Online-Anmeldung für die Vätternrunde eröffnet wurde. Rennradfahren in Mittelschweden? Ja!
Die Vorbereitung. Die Anmeldung für die Vätternrunde war geschehen, der Winter verabschiedete sich. Meinen Resturlaub vom letzten Jahr nutzten wir Ende Februar für eine herrliche Trainings- und Wohlfühlwoche auf Mallorca. Dann ein neues Rennrad. Blauer Blitz, es tut mir leid …
Der Halbmarathon, den ich mir auch zum Ziel gemacht hatte, machte die Konzentration auf den Radsport zeitweise nahezu unmöglich. Dennoch schaffte ich in zwei Monaten rund 1.400 km.
Das Wochenende. Ich war überzeugt, die Sache nur als Spaß zu betrachten. Samstag ein Besuch auf der Domäne Dahlem, abends noch eine halbe Stunde Laufen mit meiner Tochter. Dann der Sonntag. Gemütliche Anfahrt in einer Stunde, unterwegs holte uns Oliver ein. Erste „Kettengespräche“. Dann kamen wir in Altlandsberg an. Kurz vor der L 33 nahm die Anzahl der Rennradfahrer sprunghaft zu. Es war eindeutig. Entweder gab es hier umsonst „Oil of Rohloff“ oder die wollten alle zum Rennen.
Die Anmeldung. Nummer 261. Meine Nachmeldung des Teamnamens „Wir spenden Leben“ war berücksichtigt worden. Und nun: Warten, zusehen, staunen. Die Crème de la Crème der „Jedermänner“ der Region war angetreten. Als i-Tüpfelchen Werner Otto mit einigen Fahrern „seines“ Teams.
Natürlich auf einer offensichtlich sündhaft teuren Zeitfahrmaschine. Der Virus, der mich vor zwei Jahren beim Velothon infiziert hatte, brach wieder auf. Ein paar Smalltalks mit Bekannten vom Berlin Racing Team und Ronny von Velodelight.
Oliver startete. Kam zurück, nicht völlig zufrieden. Ich fuhr mich warm, probierte, was die Muskeln heute hergaben. Es fühlte sich ok an.
Der Start. Es lief weniger geordnet ab, als ich es mir vorgestellt hatte. Jeder kam, wann er Lust hatte. Mal alle auf einmal, mal längere Zeit niemand. Dennoch wurden die Abstände von 30 Sekunden zwischen den Startern penibel eingehalten. Der Fahrer vor mir. Fuhr los. Dann war ich dran. Man wird festgehalten, damit man auf’s Rad kann und nicht umfällt. Aber mich hielt niemand. Dass man es ansagen muss, wusste ich da noch nicht. Gefallen bin ich nicht. Dann der Griff. Der linke Schuh: fest. Der rechte: nicht. Ich ruderte mit dem Fuß, damit der Mechanismus greifen konnte. Da, endlich. Genau die Sekunde, bevor das Startsignal kam. Ich war schon früher bekannt für meine (beinahe-)Fehlstarts.
Das Rennen. Großes Blatt, große Übersetzung. Dass sie so groß war, hatte ich übersehen. Das Hinterrad drehte durch. Anfänger! Dann lief es. Im Wiegetritt auf „irgendwas um 50“ beschleunigen, dann rollen. Leicht gesagt. Nach 500 Metern merkte ich, dass das kein Ortsschildsprint werden sollte. Das musste gehalten werden! Und das war hart. Eine Welle, es ging leicht bergauf, etwas herunterschalten. Ist das schwer! Ich hatte keinen Tacho montiert, wusste nicht, wie lange ich schon fuhr (irre lange!) und wie weit es noch war (jetzt musste doch die Wende kommen, oder?).
Die Wende. Noch 200 Meter stand da. Endlich. Aber ich fuhr doch schon so lange! Wie macht man die Wende? Wo muss ich rum? Da stand ein Hütchen. Da ‚rum? Unsicherheit. Ein paar Meter weitergefahren, dann umschauen, wenden, Wiegetritt. Wieder Speed aufnehmen. Es geht ja gleich bergab. Dann ein Schild: das Ziel! Von wegen. Noch 1000 Meter stand da. Wie lange fuhr ich schon? 7 Minuten? 10?
Das Ziel. Dann kam das Ziel in Sicht. Die Lunge tat mir weh. Jetzt nochmal Gas geben. Ein paar Menschen am Rande nahm ich wahr. Dann die Ziellinie. Das Rad nach vorne schieben, den Po nach hinten. Ich hatte Erik Zabel schließlich soo oft zugesehen. Im TV. Dann nur noch Ausrollen. Hoffentlich läuft mir niemand vor’s Rad. Lenken, Bremsen? Fehlanzeige. Nicht vom Rad fallen! Meine Lunge brannte. Geschmack von Blut. Ich drehte um, sah Britta. Absteigen. Nur nicht umfallen. Nun, ich war durch. Geschafft. Aber keine Begeisterung wie beim Velothon 2009 im Ziel, keine Genugtuung wie beim Halbmarathon, kein Hände hochreißen. Es war ok. Aber ich hatte mehr erwartet. Immerhin würde ich nicht letzter sein. Einer der ersten 120 ganz sicher…
Das Fest. Nachdem alle mir bekannten Fahrer durch waren, fuhren wir zum Altlandsberger Marktplatz. Sattelfest. Sahen Didi Senft mit seinem Weltrekordtandem. Tranken Kaffee, Wasser, schauten uns Stände an. Sonnten uns, wenn die Sonne durch die Wolken kam. Sahen den Siegern bei der Siegerehrung zu, bejubelten die Sieger des Kinderrennens, fotografierten, klatschten, bewunderten. Werner Otto war Sieger der Senioren. Knapp über 5 Minuten – das sind über 46 km/h – mit 63 Jahren. Unglaublich.
Die Ergebnisse. Lange hat’s gedauert. Einige Mitstreiter (ich leider auch) hatten nicht mitbekommen, dass die Startnummer für die Erfassung im Ziel hinten ganz links getragen werden musste. So hatten die Organisatoren Schwierigkeiten, die Zielfotos zuzuordnen. Um so spannender war das Warten auf die Veröffentlichung der Ergebnisliste. Am Montag gegen 18 Uhr war es dann so weit. Und die Überraschung riesig: Platz 62 mit 05:59,2 Minuten! Mit einem „Stino-„Mittelklasserennrad und ohne Zeitfahrerfahrung bzw. -training! In meiner Altersklasse sogar Platz 24. Ein tolles Ergebnis.
Die Frage. Ob ich es nochmal machen würde? Nun, jetzt weiß ich ja, wie es geht. Und was man besser machen könnte. Und, wo die benchmarks für mich sind: das sind die Jungs des Berlin Racing Teams. Also werde ich nächstes Jahr auch wieder antreten. Nicht, um die Spitzenfahrer des Racing Teams abzuhängen. Ich bin nicht größenwahnsinnig. Aber vielleicht komme ich ja nächstes Jahr unter die ersten 20 der „Männer2“. Mann braucht halt Ziele: Kette rechts 😉
Schöner Bericht vielen Dank! Freu mich das Du vom Rennradfieber wieder infiziert bist! Wir sehen uns spätestens beim Vättern!