Bewährungsstrafen nach tödlichem Rennen – ein Urteil mit fragwürdiger Aussage

© Michael Grabscheit / pixelio.de

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Ich beteilige mich ungern an Kritik an der Justiz, wenn ich einen Fall nicht genauer betrachten konnte. Verglichen mit vielen – wohl den meisten – Staaten der Welt können wir froh sein über unser Justizsystem.
Dennoch gibt es immer wieder Urteile, die fragwürdig sind und bei denen man sich fragen muss, welche Wirkung sie auf Täter und Gesellschaft haben werden.

Dieses Urteil gehört dazu:
Ein illegales Autorennen.
Anders ausgedrückt: eine Kamikazefahrt mit der bewussten Inkaufnahme von Kollateralschäden. Der „Kollateralschaden“ ist in diesem Fall ein getöteter Taxigast und mehre Verletzte.
Das Urteil: Bewährungsstrafe und ein einjähriger Führerscheinentzug für die beiden 20-jährigen Täter wegen

“ fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung“
[via Spiegel Online]

Ist das noch fahrlässig? Fahrlässig ist, wenn ich beispielsweise vergesse, den Reifendruck zu prüfen und wegen mangelnder Spurtreue ins Schlingern komme und dadurch einen Unfall verursache.
Wenn ich ein Rennen fahre, ist es Zufall, wenn nichts Schlimmes passiert. Das ist nicht mehr fahrlässig. Auch, wenn das Rennen „spontan“ erfolgt.

Auch diese Einschätzung des Gerichts muss hinterfragt werden:

[es] handelte … sich um „eine absolut jugendtypische Tat“, bei der die Angeklagten nicht über mögliche Folgen nachgedacht hätten.
[via faz.net]

Jugendtypisch? So wie die Mutprobe, irgendwo eine Flasche Bier mitgehen zu lassen? Nach einer Fahrausbildung, in der die Folgen von Fehlverhalten im Straßenverkehr thematisiert wurden? Hierzu ein sachlicher Audiokommentar des WDR4.

Was generell schwierig ist, ist der Vergleich von Strafmaßen. Man kann aber sehr wohl fragen, aus welchen Gründen Gefängnisstrafen ausgesprochen werden und aus welchen Gründen davon abgesehen wird.

Ein Beispiel:
In diesem Artikel der Welt wird angeführt, dass ca. 15 % der Insassen der JVA Plötzensee in Berlin wegen Schwarzfahrens eine Haftstrafe verbüßen.

Dass Schwarzfahren eine Straftat ist, ist bekannt. Natürlich müssen Gerichte entsprechende Straftaten ahnden. Gerichte müssen sich dann aber auch fragen lassen, ob bestimmte Urteile verhältnismäßig, angemessen oder auch pädagogisch/politisch fragwürdig sind.

Ich glaube nicht, dass es Richter gibt, die Schwarzfahren als schwereres Vergehen als – Achtung Polemik – Totfahren werten würden. Oder doch?

Dass Jugendstrafrecht angewendet wurde, mag verständlich sein. Mit 20 sind die wenigsten Menschen in ihrer Reife vollständig mit Erwachsenen gleichzusetzen. Dennoch dürfen sie PKW fahren, die bei nicht ausreichender Reife zu Waffen werden können.
Davon abgesehen muss gefragt werden, ob – wenn man die Wertung der Tat als Fahrlässigkeit anzweifelt – eine andere Strafe angemessen gewesen wäre.

Was fehlt?
Ein eindeutiges – im Strafmaß ablesbares – Statement, dass es nicht um einen Dumme-Jungen-Streich sondern um eine schwere Straftat handelt, die nicht wiedergutzumachen ist. Der Hinweis an junge (und ältere) Menschen hinter dem Lenkrad, dass es keine Toleranz gibt, wenn es um das bewusste Inkaufnehmen von gefährlichen Unfällen geht.

Anmerkung
Ein Aktenzeichen konnte ich noch nicht herausfinden. Unter dem Suchbegriff  „Bewährungsstrafen nach tödlichem Rennen“ lassen sich diverse Artikel und Kommentare zu diesem Verfahren online finden.

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2 Gedanken zu „Bewährungsstrafen nach tödlichem Rennen – ein Urteil mit fragwürdiger Aussage

  1. Über das Strafmaß will ich kein Aussage machen. Dazu kenne ich die genauen Umstände nicht gut genug. Ich finde allerdings, dass ein Rennen im Straßenverkehr. keine Fahrlässigkeit ist. Die beiden Teilnehmer haben ja nicht „versehentlich“ an einem illigalen Rennen teilgenommen, sondern mutwillig die Stvo misachtet. Säßen die beiden in Autos, hätte niemand auch nur Ansatzweise von einem Jungenstreich gesprochen.
    Ich bin selbst Radkurier, kenne illegale Rennfahrer. Von mir aus, kann jeder machen was er will, so lange er/sie dabei niemand anderen beeinträchtigt und es akzeptiert, dass keine Worte schönreden können, dass man sich nicht an die Regeln hält und deswegen Menschen gestorben sind. Da hilft selbst das moralisch bevorzugte Rad nichts.

    Liebe Grüße,
    Philipp

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